Kieferorthopädie

Unsichtbare Kieferorthopädie – wenn Zähne aus der Reihe tanzen

Perfekt wirkt es, wenn die Zähne ohne Lücken ordentlich in Reih und Glied stehen. Fehlstellungen und Verschachtelungen der Zähne sehen dagegen nicht nur unschön aus, sie beeinträchtigen zudem die Gebissfunktion. Kauen, Sprechen, Zähneputzen und die Kiefergelenksfunktion können durch Fehlstellungen der Zähne behindert werden. Die Kieferorthopädie ist deshalb aus den anspruchsvollen Behandlungskonzepten der Ästhetischen Zahnmedizin nicht wegzudenken. Mit ihren modernen Methoden und Apparaturen können selbst komplizierte Zahnfehlstellungen korrigiert werden – und zwar auch bei Erwachsenen. Zahnersatz oder Zahn- und Parodontalerkrankungen können die Erwachsenenbehandlung zwar erschweren und erfordern eine enge Zusammenarbeit mit dem behandelnden Zahnarzt, grundsätzlich können die Zähne jedoch bis ins hohe Alter bewegt werden. Oftmals ist das Geradestellen von Zähnen die Voraussetzung für einen perfekt gestalteten Zahnersatz.

Bei der kieferorthopädischen Behandlung werden die Zähne durch das Einwirken von sanften Druck- und Zugkräften bewegt. Dies geschieht mit Hilfe spezieller Apparaturen, die entweder herausnehmbar oder festsitzend gestaltet werden. Festsitzende Apparaturen üben Druck auf den Zahn aus. Der Kieferknochen weicht davor zurück, so dass der Zahn allmählich in die gewünschte Position rücken kann. Die Zugwirkung auf der Gegenseite regt den Knochen zur Neubildung an, so dass der Zahn seinen festen Halt nicht verliert. Auf diese Weise könne einzelne Zähne oder ganze Zahngruppen sehr gezielt in praktisch jede Richtung bewegt werden.

Am effizientesten ist die festsitzende Lösung mit so genannten Brackets. Mit ihrer Hilfe lassen sich auch extreme Fehlstellungen korrigieren. Brackets werden auf die Oberfläche der Zähne geklebt und zum Beispiel mit speziellen Drahtbögen verbunden. Sobald sich die Zähne langsam in die gewünschte Position bewegen, werden die Druckkräfte immer wieder nachreguliert – bis schließlich kein Zahn mehr aus der Reihe tanzt.

Herkömmliche Brackets bestehen aus glänzendem Metall und sind im Mund natürlich auffällig. Seit Tom Cruise’s einjähriger Episode als Spangenträger gelten sie jedoch als Kult und sind inzwischen längst auch bei Erwachsenen „salonfähig“. Alternativ gibt es heute aber auch zahnfarbene oder durchsichtige Brackets, die beim Reden, Lächeln oder Essen weniger auffallen. Zahnfarbene Brackets bestehen aus „weißer“ Keramik, die sich kaum von den Zähnen abhebt. Sie werden deshalb von den meisten Patienten sehr gut toleriert.

Eine völlig unsichtbare Lösung bietet die so genannte Lingualtechnik. Hierbei werden die Brackets nicht auf der Außenfläche der Zähne, sondern auf der Rückseite befestigt. Allerdings ist das Aufbringen der Brackets hier natürlich sehr viel aufwändiger und kostet dementsprechend mehr Zeit. Doch die ist gut investiert, denn für den Betrachter sind die Brackets nicht einmal aus nächster Nähe sichtbar. Da die Innenseite der Zähne robuster und weniger kariesanfällig ist als die Außenseite, stellt die Lingualtechnik zudem eine risikoarme Technik dar. Als Nachteil wird jedoch manchmal empfunden, dass innen liegende Brackets größere Schwierigkeiten beim Sprechen bereiten und deshalb eine längere Eingewöhnungszeit erfordern. Auch Reizungen der Zungenspitze sind anfänglich möglich. Statt Standardbrackets verwenden Spezialisten deshalb heute immer häufiger individuell angefertigte Brackets, die filigraner gestaltet und exakt an die Oberfläche der Zähne angepasst werden. Die gesamte Apparatur ist viel flacher und wird im Mund entsprechend komfortabler empfunden. Die Gewöhnungsphase ist deutlich kürzer als bei Standardbrackets.

Die so genannte Invisaligntechnik wurde gerade für die Erwachsenenbehandlung entwickelt. Die feinen Schienen werden ähnlich wie Bleaching-Schienen auf die Zahnreihen gesetzt. Anders als Brackets sind diese Apparaturen jedoch nicht regulierbar, so dass computergesteuert für jeden Patienten eine ganze Schienenserie individuell angefertigt wird. Jede Schiene lässt das Behandlungsziel ein kleines Stück näher rücken. Sie wird in der Regel 14 Tage getragen und dann durch die nächste ersetzt. Die Schienen sind so dünn und grazil, dass sich die meisten Patienten auch beim Sprechen innerhalb kürzester Zeit daran gewöhnen. Sie brauchen deshalb nur zum Essen und Zähneputzen kurz herausgenommen werden. Allerdings eignen sich Aligner nur für kleinere Stellungskorrekturen. Für umfangreiche Zahnverschiebungen sind Brackets die Methode der Wahl.

Um bei Platzmangel im Oberkiefer das Zähneziehen zu vermeiden, können die Backenzähne nach hinten bewegt werden. Früher verwendete man dazu einen so genannten Head-Gear (Gesichtsbogen). Die Apparatur wird an den betreffenden Zähnen befestigt und mit einem Bügel außen am Schädel oder im Nacken abgestützt. Heute verwenden einige Spezialisten jedoch insbesondere bei der Erwachsenenbehandlung unsichtbare Spezialapparaturen, die mit Hilfe von Miniimplanaten am Kiefer abgestützt werden. Weitere Apparaturen, wie z.B. der Distal-Jet, halten sich am Gaumen und Zahn fest. Ein Vorteil ist, dass durch die ständige Krafteinwirkung die Zahnbewegung erheblich schneller vorangeht.

Das Geheimnis der effizienten und schnellstmöglichen Zahnbewegung ist die optimale Behandlungsplanung durch den Kieferorthopäden. In der Hand des Spezialisten dauert die Behandlung bei Erwachsenen meist nicht länger als bei Kindern. Selten beträgt die aktive Behandlungsdauer, d.h. die Tragezeit der eigentlichen Spange, länger als zwei Jahre. Kleinere Fehlstellungen können durchaus auch schneller korrigiert werden. Damit sich die Zähne am Ende der Behandlung nicht wieder in ihre alte Position bewegen, ist es allerdings erforderlich, das Ergebnis zu stabilisieren. Dazu muss der Patient für einen bestimmten Zeitraum nachts ein so genanntes Retentionsgerät tragen. Auch diese Geräte können herausnehmbar oder festsitzend gestaltet werden. Der festsitzende Retainer ist ein graziler Draht, der auf die Innenseite der Zähne geklebt wird. Er ist also völlig unauffällig und bedarf meist nur einer geringen Eingewöhnungszeit. Der herausnehmbare Retainer ist mit einer klassischen Zahnspange vergleichbar. Er braucht normalerweise nur nachts getragen zu werden.

Regelmäßige gründliche Zahnpflege ist grundsätzlich für jeden, der seine Zähne schön und gesund erhalten will, unverzichtbar. Bei einer kieferorthopädischen Behandlung mit Brackets ist sie jedoch geradezu ein „Muss“. Die Randzonen der Brackets und Drähte sind ideale Nischen und Schlupfwinkel für Karies verursachende Zahnbeläge, die über kurz oder lang den Zahnschmelz angreifen. Erste Anzeichen sind weißliche Entkalkungen auf der Zahnoberfläche. Wird nicht spätestens an dieser Stelle professionell eingegriffen, entsteht aus den Entkalkungen eine Karies, die systematisch den Zahn zerstört. Dies lässt sich jedoch leicht vermeiden. Das Hygieneteam Ihres Zahnarztes zeigt Ihnen, wie Sie die Brackets mit einer Spezialzahnbürste am besten sauber halten und kümmert sich in regelmäßigen Prophylaxe-Sitzungen um die schwer zugänglichen Stellen.

Prinzipiell müssen Spangenträger auf nichts verzichten. Den Genuss von all zuviel Süßigkeiten sollte man jedoch einschränken. Harte Nahrungsmittel, wie Nüsse oder Rohkost, können die Brackets jedoch beschädigen oder absprengen. Man sollte sie deshalb entsprechend vorsichtig genießen und auf keinen Fall abbeißen, sondern vor dem Verzehr mundgerecht zerkleinern. Das Wichtigste jedoch ist, nach jeder Mahlzeit die Zähne gründlich zu putzen! Das Einfädeln normaler Zahnseide ist unter den Drähten von Brackets ziemlich schwierig. Leichter geht’s mit Zahnseide, die ein verstärktes Ende hat. Alternativ eignen sich auch feine Interdentalbürstchen. Diese oder eine kieferorthopädische Spezialzahnbürste werden empfohlen, um zusätzlich zum normalen Zähneputzen die Ränder der Brackets zu reinigen.

Nach den Erstgesprächen und einer gründlichen Untersuchung werden die Grundlagen für die Behandlungsplanung erstellt. Dazu gehören eine gründliche Kiefergelenkuntersuchung, Röntgenaufnahmen, Fotodokumentationen und – besonders wichtig – Gipsmodelle der  Zahnreihen. Anhand dieser Unterlagen kann der Kieferorthopäde Art und Umfang der Zahnbewegung exakt planen und die Position der Brackets festlegen. Vor dem Einsetzen der Brackets in den Mund werden die Zähne zunächst noch einmal gründlich gereinigt und die Oberflächen anschließend mit einem Gel leicht angeraut, damit die Brackets besseren Halt finden. Nun klebt der Kieferorthopäde die Brackets mit einem speziellen Kleber auf die Zähne auf. Er prüft noch einmal den perfekten Sitz und setzt die Kraft ausübenden Drahtbögen ein. Schließlich werden diese fixiert und die gesamte Konstruktion noch einmal überprüft. Nun heißt es warten und die Drahtbögen vom Kieferorthopäden regelmäßig regulieren lassen. Der erste Behandlungserfolg ist meist nach wenigen Wochen sichtbar.

Grundsätzlich kann jeder Kieferorthopäde Kinder wie Erwachsene behandeln. Doch nicht jeder Kieferorthopäde bietet spezielle Techniken wie die Lingualtechnik an. Zudem ist nicht jeder Kieferorthopäde auf den Beratungs- und Serviceanspruch des erwachsenen Patienten eingestellt. Man sollte sich daher mit dem behandelnden Hauszahnarzt gut beraten oder sich direkt an entsprechend spezialisierte Ärzte wenden, die z.B. über Fachgesellschaften zu ermitteln sind.